Wie wird sich unser Leben in den nächsten Jahrzehnten entwickeln? Welche Neuerungen prägen unsere Sicht auf die Dinge und welche gesellschaftlichen Umwälzungen nehmen besonders großen Einfluss auf unseren Alltag? Welche Auswirkungen haben diese Veränderungen auf die Art wie wir leben, lieben – und wohnen werden?
Der demografische Wandel, die komplexen Beziehungsmuster, der häufigere Wechsel des Jobs, des Partners und damit des Wohnortes stellen neue Anforderungen an das Wohnen. Und auch die Frage nach der technologisch-digitalen Aufrüstung des Eigenheims ist nicht einfach zu beantworten. Gehen wir automatisch davon aus, dass alles was möglich ist, auch wirklich Sinn ergibt? Ein weiterer Aspekt, der, zumindest in der breiten Öffentlichkeit, noch zu wenig diskutiert wird, aber von mindestens gleich großer Bedeutung wie das „Smart Home“ ist, ist das Thema „gesunde und nachhaltige Materialien“.
Bei all diesen Fragen lohnt eine kurze Bestandsaufnahme: Wie sieht sie aus, die Zukunft des Bauens?
Aus der Biografie wird die Multigrafie
Um die Wohnansprüche der Zukunft zu verstehen, ist es wichtig, einen Blick auf die Entwicklungen zu werfen, die unsere Gesellschaft prägen. Wie wir wohnen sagt sehr viel über die Werte und Vorstellungen einer Gesellschaft aus. Und umgekehrt. Bis in die 70er-Jahre lebten die meisten Menschen gemäß einer dreiteiligen „Normal-Biografie“: Kindheit und Jugend (als Ausbildungszeit), Berufstätigkeit und Familienzeit (als Reproduktionsphase) sowie Ruhestand. Ein linearer, stufenmäßiger Ablauf. Die neue Lebensphase begann, wenn die andere abgeschlossen war. Die Rollenverteilung innerhalb der Familie war klar, der Mann „verdiente die Brötchen“, die Frau kümmerte sich um Kinder und Heim. Dieses Heim war im besten Fall ein Eigenheim – das klassische Einfamilienhaus.
Diese vorgegebenen Lebensmodelle sind passé: An die Stelle der „Biografie“ rückt die „Multigrafie“. Zwischen Jugend- und Erwachsenenphase schiebt sich die Postadoleszenz, eine Zeit des Ausprobierens und der Selbstfindung, in der man sich über die ungefähre Richtung bewusst wird, in die man beruflich wie privat gehen möchte. Dann beginnt – in der Regel mit Ende 20 – die „Rush Hour des Lebens“. Sie endet mit Beginn der Fünfziger, wenn die Kinder aus dem Haus sind, gefolgt vom „Zweiten Aufbruch“: Menschen um die 50 starten oft beruflich oder privat noch einmal neu durch.
Bei all diesen fundamentalen Veränderungen unserer Gesellschaft drängt sich die Frage auf: Hat das klassische Einfamilienhaus überhaupt Zukunft?
Die Antwort lautet: ja. Und das hat folgende Gründe. Die Sehnsucht nach genügend Platz und Privatsphäre mit eigenem Garten, egal wie groß oder klein dieser sein mag, ist ungebrochen. Die Digitalisierung sowie das Gefühl in einer überkomplexen Welt zu leben, die von Unsicherheit geprägt ist, stärkt sogar wieder die Sehnsucht nach Rückzug in die private Heimeligkeit. Die Tendenz zu einem „Neo-Biedermeier“ macht sich auch an Zahlen fest.
So sind im Jahr 2014 zum ersten Mal wieder mehr Menschen aus den Großstädten weg als zugezogen. Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin haben bereits im Jahr 2014 mehr Deutsche die sieben größten Städte des Landes verlassen, als neu hinzugezogen sind. Die Gründe für die Stadtflucht sind entweder finanzieller Natur oder liegen in der Sehnsucht nach mehr Ruhe und Übersichtlichkeit – oder einer Mischung aus beidem. Einfamilienhäuser liegen dabei hoch im Kurs. Sie sind vor allem bei den ehemaligen Stadtfamilien mit Kindern beliebt. Dennoch werden an die Einfamilienhäuser in Zukunft andere Ansprüche gestellt. Es ist an der Zeit, näher hinzusehen, um diesen Ansprüchen beim Bauen schon heute gerecht zu werden.
Was bedeutet Smart Living wirklich?
Eine entscheidende Frage dabei lautet: Wie „smart“ muss das Wohnen in der Zukunft sein? Das kommt darauf an, was wir unter „smart“ verstehen. Im Standardgebrauch meint der Begriff: die Vollautomatisierung des Wohnens. Was uns heute alle Hersteller smarter Haustechnik verkaufen wollen, sind mehr oder minder autonome Funktionssteuerungen: Beleuchtung, Wärme, Jalousien, Sicherheitseinrichtungen, Energieversorgung. „Das Haus der Zukunft“, schwärmt ein Anbieter für Heimelektronik, „wacht morgens von alleine auf, regelt die Temperatur auf ein angenehmes Maß, erzeugt die gewünschte Helligkeit, weiß genau, wer an der Tür steht, und bringt das Essen pünktlich und lecker auf den Tisch“.
Das Haus der Zukunft – es umschließt uns wie eine perfekte Hülle. Aber wollen wir wirklich so wohnen? Oder besser: leben?
Wohnen ist, wenn wir es als Leben betrachten, immer etwas genuin Leibliches, Sinnliches. Das Betätigen eines Lichtschalters an der Wand wird immer ein anderes Gefühl von Weltbeziehung erzeugen als das Berühren einer Glasoberfläche auf dem Tablet zur Steuerung. Denn der Raum, in dem wir uns bewegen, ist immer auch ein innerpsychischer Raum, in dem wir unseren Körper verorten. Ein gemeinsames Essen mit Gemüse aus dem Garten wird immer den intelligenten Kühlschrank toppen, der unentwegt Fertiggerichte bereitstellt und uns streng zur Diät mahnt. Ein Kaminfeuer, bei dem man die Scheite selbst gehackt hat und nachlegen muss, wird immer die automatische Lichtfarbsteuerung schlagen. Alltagsleben ist immer auch Beschäftigung mit dem Psychischen, Haptischen, Lebendigen, dem Widerspenstigen und Störrischen. Wohnen ist auch Basteln, Reparieren, Verschönern, Improvisieren. Und das gilt vor allem für das eigene Einfamilienhaus. Das wirklich „smarte“ Haus der Zukunft wird deshalb intelligent sein, weil es all das „weiß“. Natürlich kann es darin schlaue Geräte geben, die für Sicherheit, Komfort und Notwendiges sorgen. Aber diese Funktionen werden eingebettet sein in einen Kontext der Lebendigkeit, des Natürlichen. Smartness wird sich definieren als soziale, architektonische, ästhetische Intelligenz. Dabei spielen Design und Material eine größere Rolle als Technik: Das Comeback von Holz als Baustoff, als Wand- oder Fassadenelement, die Renaissance natürlicher Materialien auch im Möbel- und Einrichtungsbereich, der Trend zum Natürlichen und Organischen – all das bringt uns in ein neues Verhältnis zu unserer Umwelt.
„Smart“ bedeutet auch, so zu bauen, dass das Eigenheim für jedes Alter und jede neue Situation gewappnet ist.
Barrierefreies Bauen, oder besser: Universal Design
Der Begriff „Barrierefreies Wohnen” mag inhaltlich korrekt sein, dennoch assoziiert man mit ihm etwas Klinisch-Sanatorisches, etwas ungefragt Helfendes, etwas für Menschen mit Handicap oder extremen Altersgebrechen. Tatsächlich geht es jedoch um eine neue Norm für durchschnittliche Nutzungsbedürfnisse. Davon sollte jeder profitieren, denn der Effekt ist für alle gleich: mehr Komfort.
Das bedeutet, einen Qualitätsmaßstab zu definieren, der für alle Generationen von Vorteil ist. Sich die Zehen an einer leicht erhöhten Türschwelle zwischen zwei Räumen zu stoßen, ist für einen 14-Jährigen genauso unangenehm wie für einen 40- oder 80-Jährigen. Letztlich profitieren eben alle Generationen von Maßnahmen zur Barrierefreiheit: Die richtige Breite von Durchgängen, leicht bedienbare Fenster und Türen, stufenlose, stolperfreie Wege, rutschhemmende Oberflächen, sichere Griffe im Sanitär- und Treppenbereich, höhenverstellbare Betten, angepasste Arbeitshöhen und Beleuchtung – all das kommt in Zukunft einem familienfreundlichen Wohnen zugute. Deshalb gilt künftig das Credo: Generationenkompatibel statt nur altengerecht.
Die multigrafischen Lebensmodelle führen zu tendenziell häufigeren Wechseln in den Haushalten. Das tut der Beliebtheit von Einfamilienhäuser jedoch keinen Abbruch. Voraussetzung ist allerdings, dass den neuen Anforderungen an Grundriss, Ausstattung und Materialien auch Rechnung getragen wird. Geschieht dies, ist nicht nur eine stabile Wertbeständigkeit des jeweiligen Einfamilienhauses gesichert, sondern auch das aktive Gestalten der Baubranche an der Zukunft.
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