Ein Sonntagmorgen im winterlichen Berlin 2067. Milan und Laura sitzen mit ihren beiden Kindern am gedeckten Frühstückstisch in ihrem schönen Eigenheim. 147 m² Wohnfläche, Wintergarten, digitale Küche, der Garten mit kleinem Fischteich, Rasen, Rosenbeeten (wie früher bei Oma Anna) und den schnell wachsenden mediterranen Gemüsesorten, die seit dem spürbaren Klimawandel auch überall in Deutschland gedeihen. Heute sind es nur 11 Grad draußen und der letzte Schnee fiel hier vor 5 Jahren. Den Winter kennt man hier nur aus Büchern oder fährt nach Schweden, wo es noch schneit. Ja, vor 50 Jahren soll es hier noch richtige Winterwochen mit Frost gegeben haben. Die 23 km zum Brandenburger Tor gestalten sich in sechsminütiger Fahrt als entspannt, wenn man den Berlin-Shuttle, den Hochgeschwindigkeitszug mit dem auf Wasserstoff basierenden Hocheffizienzantrieb, nimmt. Seit der Umweltverordnung von 2062 ist die vollständige Nutzung erneuerbarer Energien in Gebäuden und in der Mobilität verbindlich vorgeschrieben. Auch ihr Haus nutzt natürlich ausschließlich erneuerbare Energien: Power to heat hat einen Wirkungsgrad von 96 % erreicht und der Hausspeicher ist Dank der neuesten Ionen-Technologie völlig wartungs- und beanstandungsfrei. Das wird auch gar nicht mehr hervorgehoben – das ist einfach normal und gehört zum täglichen Leben.
Milan erinnert sich an seinen Großvater, der vor 50 Jahren mit dem Effizienzhaus Plus noch wahre Pionierarbeit erfüllt hatte. Milans Vater hatte das Haus noch als Schüler besucht und ihm von dem Musterhaus in Berlin berichtet, das dann wenige Jahre später recycelt wurde. Da versuchte man sich bereits an der Perfektion von Solartechnik, an Wärmepumpen und PCM-basierten1 Baustoffen. Und mit dem Leitbild „Mein Haus meine Tankstelle“ entstand ein für damalige Verhältnisse vorbildhaftes Konzept eines sich weitestgehend selbst versorgenden Wohnhauses, das den elektrisch erzeugten Überschuss sogar schon für die familiäre Mobilität verwendete. Wie pilothaft das damals war. Es entbrannte ein Wettstreit der Experten, welcher Ansatz wohl besser wäre. Aber im Grunde wollten alle das gleiche: Energieeffizienz und die Nutzung erneuerbarer Energien. Die Gesellschaft erlebte vor 50 Jahren die Energiewende.
Wärme hat der Mensch schon immer gebraucht – das war in der Steinzeit schon so und hat sich in der Gegenwart nicht geändert. Nur dass wir heute, fünfzig Jahre nach 2017, mit einer Direktheizung effizient und schnell nur dort heizen, wo wir uns aufhalten. Digitale Präsenzmelder machen es möglich. Und die biometrische Gesichtserkennung an der Haustür steuert nicht nur das Türschloss, sondern auch individuell die Heizung über den gespeicherten Datensatz zum Wärmeempfinden und Wohnverhalten. Laura badet gern sonntags: Kein Problem, denn die Wanne füllt sich zuverlässig mit warmen Wasser und dem gewünschten Badezusatz, sobald sie das Bad mit dem individuellen Fingerprint aktiviert. Und dem Abwasser wird durch den integrierten Wärmetauscher auch gleich die Wärme wieder entzogen. Ineffiziente Energienutzung ist quasi ausgeschlossen. Komfort: ja natürlich, aber bitte smart. Milan hatte sich beim Hausbau genau erkundigt. Die Außendämmung hat sich Dank der industriellen Dämmstoffinnovation auf 2 cm Stärke reduziert. Was haben Milan und Laura gelacht, als sie neulich ein „energetisch modernisiertes“ Haus in der Nachbarschaft aus dem Jahr 2004 besuchten: 36 cm dicke Dämmpakete unter dem Dach. Materialüberfluss machte es damals wohl möglich. Jetzt reicht eine Nano-Dämmung, die seit 2030 endlich den Durchbruch erlebte und inzwischen auch als Anstrich respektable Dämmwerte erzielt: atmungsaktiv, schlagregenfest, langlebig und leicht zu verarbeiten.
Es ist eine ganz andere Haltung, die Milan und Laura jetzt gegenüber ihren Großeltern einnehmen. Das gesellschaftliche Verständnis fragt heute nicht danach, ob sich Klimaschutz und Energieeffizienz „rechnen“.
So oder so ähnlich könnte eine Geschichte aus dem Jahr 2067 klingen. 50 Jahre nach diesem Artikel und in einer Zeit, in der vermutlich der Wettbewerb um die Betonung des besten Energiekonzeptes nachgelassen hat. Fragen zur Energieeffizienz werden dann stillschweigend das Handeln bestimmen. Das ist etwa so, wie vor 1990 ein mobiles Telefon noch ein Attribut hervorgehobener Geschäftigkeit war. Heute hat (fast) jeder ein Smartphone, dessen Kommunikationsausstattung gleich mehrfache Wege geht. Die Smartphone-Technologie könnte das Zeug haben, im Rahmen der Digitalisierung im nächsten Jahrzehnt auch wirklich die Steuerung im privaten Haushalt zu erobern. Während sich die heutige Elterngeneration noch mit ersten netzwerkgesteuerten Musikanlagen abkämpft, um die früher gekauften CDs auch digital aus der Cloud abspielen zu können, haben unsere Kinder bereits einen häuslichen Zugang aus der Wohnung in den Niederlanden gelegt und stören versehentlich den abendlichen Tatort der Eltern im Wohnzimmer mit eingeschalteter Internetmusik aus Wien.
Verfolgt man die Trends der vergangenen Jahre, so erlebten wir einen kontinuierlichen Zuwachs der Wohnfläche seit 1990 um über 25 %. Dieser Komfortanspruch wird sich sicherlich nicht so fortsetzen. Wohl aber der Grad der Bequemlichkeit, den wir von unserem Eigenheim erwarten. Die technische Ausstattung im Eigenheim wächst und wird gegenwärtig auch zum Kostentreiber in der Bauwirtschaft. Kontrollierte Lüftungsanlagen, digitalisierte Haushaltsgeräte, internetbasierte Steuerungen – wir leben in einem Zeitalter, in dem der Lichtschalter (vielleicht) zum Auslaufmodell wird. In 50 Jahren wird das „Smart Home“ üblich, Ausstattung und Steuerung digitalisiert sein. Die Kosten werden dann erheblich gesunken sein, wie es mit aller Technik der Vergangenheit auch geschehen ist. Das Nutzerverhalten wird sich diesem Trend anpassen – es braucht nur seine Zeit.
Was wird das Wohnen in 50 Jahren ausmachen? Das Grundbedürfnis nach Geborgenheit wird uns auch im Einfamilienhaus der Zukunft gewiss sein. Es wäre wider des Menschlichen, wenn das eigene Heim nicht den Ausgangspunkt der Heimeligkeit und Rückzugsmöglichkeit darstellt. Familie braucht diesen Privatbereich – auch in baulicher Hinsicht. Unsere internetgeprägte Welt schafft ohnehin schon Transparenz bis weit ins Persönliche hinein und vermittelt uns das Gefühl, jedem stets nahe zu sein, auch wenn dies nur virtuell geschieht. Das wird auch die Zukunft bestimmen und das Bauen für Eigenheime prägen. Wir werden vermehrt Produkte aus der Nanotechnologie verwenden. Das Energieproblem werden wir durch die effiziente Nutzung der Sonnenenergie zunehmend lösen. Dazu gehören hocheffiziente Anlagen zur solaren Strom- und Wärmegewinnung. Wir werden die entscheidenden Speicherfragen gelöst haben und Spitzenlastabdeckung erreichen. Dezentrale Versorgungsmodelle werden das Bauen bestimmen. Allein die Netzverluste und die Instandhaltungskosten werden für Quartiere nicht mehr tragbar sein. Statisch verlegte Versorgungsnetze sind in 50 Jahren vermutlich zu unflexibel geworden.
Der Klimaschutzplan der Bundesregierung2 vom 14.11.2016 enthält einen Fahrplan für einen „nahezu klimaneutralen Gebäude-bestand“ bis 2050. Der Effizienzhaus 40-Standard (gefolgt vom Effizienzhaus Plus) soll dann den Gebäudebestand prägen, zumindest aber der heutige Effizienzhaus 55-Standard, der als sogenannter Niedrigst-Energie-Standard gegenwärtig für 2020 in der Diskussion ist. Sollte der Primärenergiebedarf bei Wohngebäuden bei 40 kWh/m²a (bei Nichtwohngebäuden bei 52 kWh/m²a) gelten und möglichst keine fossilen Brennstoffe ab 2030 eingesetzt werden, wären heutige Meilenstein-Überlegungen umgesetzt. Die EU-seitige „guidance note“ formuliert sogar 30 kWh/m²a für den Wohngebäudebereich. Selbst wenn alles nicht so schnell kommt, wie wir es planen, dann haben wir diese Situation vielleicht aber in 50 Jahren.
Umfragen zufolge wird der Verkehr ab 2050 weitestgehend elektrisch und autonom betrieben sein. Ressourcenschutz und ökologische Nachhaltigkeit werden das Bauen bestimmen. Die heutige Bauforschung bildet die Grundlage, dem die Netzwerke folgen. Die Breitenanwendung ist der dritte Schritt. Das erleben wir gerade in Deutschland mit dem Effizienzhaus Plus Ansatz und der Forschungsinitiative Zukunft Bau des Bundesministeriums für Umwelt, Bau- und Reaktorsicherheit (BMUB) zusammen mit dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). Wie auch immer die Begrifflichkeiten eines Tages heißen werden, unsere Kinder werden diesen Weg weiter gehen und die Erhaltung unserer Ressourcen als gesellschaftliche Aufgabe verinnerlichen. Das Bauen wird der Spiegel der jeweiligen gesellschaftlichen Gegenwart und der technischen Möglichkeiten bleiben, so wie es immer war. Das Netzwerk Effizienzhaus Plus3 zeigt auf, wohin es geht: Wohnen und Leben in 50 Jahren werden davon geprägt sein.
1 PCM = Phase Changing Material mit Latent-Wärmespeicher
2 Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung: https://www.bmu.de/themen/klima-energie/klimaschutz/nationale-klimapolitik/klimaschutzplan-2050/
3 www.forschungsinitiative.de/effizienzhaus-plus/
Die ZEBAU GmbH – das Zentrum für Energie, Bauen, Architektur und Umwelt aus Hamburg – ist eine unabhängige halböffentliche Netzwerkstelle mit dem Ziel, energieeffizientes Bauen und den Einsatz erneuerbarer Energien in Gebäuden zu etablieren. Diese entwickelt zukunftsorientierte Projekte und kreative Lösungen für nachhaltige Ideen. www.zebau.de
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